"Hilfe,“ hörte ich. Der gedämpfte Laut kam von der Rückseite des Hauses. Ich legte mein Buch weg, wartete einen Moment bis ich einen zweiten Schrei hörte, "Hilfffflllggg,“ und ging dann durch die Halle zu ihrem Nähzimmer. Die Tür war geschlossen und als ich versuchte sie zu öffnen ging das nur sehr schwer. Ich drückte fester und öffnete sie einen Spalt, groß genug um in den Raum zu sehen.

"Liebling,“ rief ich in das Zimmer. Mein eigener Ruf klang dumpf, gedämpft von den Bergen von Stoff, die auf dem Boden lagen. "Bist du hier drin?“ fragte ich, während mein Blick über die Unmengen von Stoff glitt, die den Teppich, die Nähmaschine, den Stuhl bedeckten. Ein Zyklon war durch den Raum gefegt und hatte den Inhalt sämtlicher Abfallbehälter eines jeden Stoffgeschäfts der Stadt hier deponiert.

"Mmmmphhhh,“ hörte ich aus einer Ecke des Zimmers, der Laut kam aus einem Berg von bunten Stoffresten, einem Blumengarten von Stoffresten. Ich begriff, dass der gesamte Raum überflutet war mit Stoffresten. Ich begriff, dass irgendwo in diesem Wahnsinn eines gigantischen Stoffsturms mein Darling Wife um Hilfe rief.

Ich pflügte mich durch Stoffquadrate, Stoffdreiecke, Stoffstreifen, zerschnittene und zerrissene Stücke jeder Größe und Form. Als ich mich bewegte erwachten hinter mir die Stoffreste zum Leben und trudelten gegen die Wand. Ich stählte mich, machte einen tiefen Atemzug und kämpfte mich vorwärts über die Hügel und Klippen von Stoff, kämpfte gegen sich bewegende Fitzel. Ich fand mein Darling Wife und zog sie zurück ins Licht.

Sie rang nach Luft, spuckte und versuchte ihren Mund wieder frei von Garn und Fasern zu bekommen.

"Bist du in Ordnung?“ fragte ich. Ich fragte nicht, was passiert war. Ich fragte nicht, was sie gemacht hatte, vergraben in einer Lawine aus Stoffgeröll. Ich wusste es.

Ich wusste es, denn drei Tage zuvor hatte sie sich ein geliehenes Video angeschaut darüber, wie man Scrap-Quilts (Restequilts) macht. Ich wusste es, denn während dieser drei Tage beobachtete ich ihre Suche nach ihrem versteckten Vorrat an Stoffresten - in jedem Raum des Hauses, in jeder Schachtel in der Garage, jedem Regal und jeder Schublade. "Vielleicht brauche ich sie irgendwann,“ hatte sie mir vor zwei Jahren gesagt, als sie anfing, ihre Überreste vom Nähen an jedem freien Zentimeter Platz zu horten. Vor drei Tagen waren dann diese Stoffreste in ihr Nähzimmer umgezogen.

"Es geht mir gut. Ein paar der Reste sind vom Regal gefallen,“ sagte sie ruhig.

Ich bürstete sie ab. "Etwa hundert Pfund von Stoffresten,“ sagte ich.

"Ich hatte vergessen, wie viel ich habe,“ sagte sie. Sie atmete wieder normal.

Ich wischte ein paar kleine Stücke von Paisleystoff aus ihren Haaren. "Du hast eine Menge,“ sagte ich. "Wie groß soll der Quilt werden, den du planst?“

"Ich mach jetzt noch keinen Quilt. Ich hatte gerade erst einen Kurstag.“

"Aber?“

"Aber ich dachte, ich könnte ein bisschen üben, wenn ich ein kleines Restequadrat mache. Dabei brauch ich noch nicht so aufpassen, dass es wirklich perfekt wird.“

"Du willst also einige dieser Reststücke zusammennähen, ist es das?“ fragte ich. Sie nickte.

"Wie groß wird das Quadrat?“

"So fünfzehn Zentimeter,“ sagte sie demütig.

"Also brauchst du dreißig LKW-Ladungen von Stoffstücken um ein fünfzehn Zentimeter großes Quadrat zu nähen!“

"Ich brauche eine Menge Praxis. Nebenbei – die Entscheidung, welche Stoffe man nehmen soll, ist schwierig.“

"Warum machst du nicht die Augen zu und packst eine Handvoll und nimmst sie?“ Das ist doch eine logische Frage, richtig?

"Oh nein. Die Stoffe müssen zusammenpassen.

"Sie müssen zusammenpassen?“ Ich war echt verwirrt. "Nennt man es nicht Restequilt weil man Reste benutzt?“

"Trotzdem müssen sie zusammenpassen. Sie müssen die richtige Farbe, das richtige Design, die richtige Form haben. Ein Quilter kann doch nicht einfach zwei Stücke Stoff aneinander nähen.“ Jetzt war sie entrüstet.

"Also müssen Quilter genug Stoff in ihren Nähzimmern haben um eine Armee auszurüsten, bevor sie ein fünfzehn Zentimeter Quadrat nähen können?“

"Erfahrene Quilter nicht. Ich bin Anfänger. Erfahrene Quilter werfen nur einen Blick auf die Stoffe und alle Farben, alle Töne, alle Stücke harmonieren perfekt miteinander. Das kann ich jetzt noch nicht. Es wird eine Weile dauern, bis ich weiß, wie man das macht. Und jetzt lass mich arbeiten.“ Sie trat gegen die Stoffe auf dem Boden und fegte sich so einen Weg frei, auf dem sie im Zimmer herumgehen konnte.

"Möchtest du wieder untergehen?“ fragte ich.

"Nicht solange ich nicht ein ganz bestimmtes Stück Stoff suche.“

"Und dann bist du vorsichtig?“

"Ich werde versuchen, vorsichtig zu sein,“ sagte sie.

"Gut dann,“ sagte ich als ich mich umdrehte, um mir meinen eigenen Weg aus dem Zimmer zu bahnen. Es war ein sehr farbenfroher Raum, das musste man mit Bewunderung sagen.

"Aber ein Quiltanfänger kann nicht versprechen, perfekt zu sein,“ fügte sie hinzu. Sie hob eine Handvoll Stoffreste auf und untersuchte sie. Ich war entlassen.

Ich ging zurück ins Wohnzimmer und begann, mein Buch weiterzulesen, aber ich konnte mich nicht richtig konzentrieren. Ich hörte immer noch die Stoffstücke auf den Boden fallen. Ich weiss es.

(Anmerkung: Darling Wife besteht darauf, das ihr Nähzimmer SO schlimm nicht aussieht!)


Aus dem Englischen übersetzt von Angelika Volkenandt mit Erlaubnis des Autors A.B. Silver, Copyright 1998 by A.B. Silver, jegliche Reproduktion oder Weitergabe ohne Genehmigung des Autors A.B. Silver ist verboten.