"Die Wände brauchen Quilts,“ sagte sie.

"Was?“ fragte ich. Ich hatte nicht nachgedacht bevor ich diese Frage stellte. Sie war eine automatische Antwort auf verschiedene Arten von Geräuschen, die aus ihrem Mund kamen. Bei fast allen ging es in irgendeiner Form um ihre Quilterei.

"Sie wirken so leer,“ sagte sie. "Findest du nicht?“

"Ich denke dein Gehirn ist leer,“ sagte ich. Später hatte ich mit ein Dutzend neuer Antworten für sie ausgedacht – wenn sie auf ihr Leben zu sprechen kam, das sie vor einem Monat zurückgelassen hatte. Es lag an ihr.

Vier Wochen zuvor hatte sie versprochen, dass auf unserem Trip nach England sie alle Hilfe annehmen würde die sie bekommen konnte, um ihre Gedanken vom quilten frei zu halten. Obwohl wir sieben Quiltshops besucht hatten und verschiedene "ausländische“ Quiltmagazine (veröffentlicht in England und Australien) gekauft hatten, hatte sie sich an ihr Versprechen gehalten, die Reise zu geniessen und nicht immer an die Quilts zu denken, die zu Hause auf sie warteten. Aber als die Wochen vergingen wurde es für sie immer schwieriger, dies Versprechen auch zu halten. Mehr und mehr dachte sie ans quilten. Fünf Tage vor der Rückreise begann ihr Versprechen zu bröckeln.

"Krieg ist die Hölle,“ sagte sie.

"Ja,“ stimmte ich zu und dachte an die NATO und Serbien und den Kosovo, während wir in den Tunneln tief unter den weißen Klippen von Dover umherwanderten, wo sich während des zweiten Weltkriegs das britische Oberkommando befunden hatte. Wir befanden uns in Dover Castle, auf einer Besichtigung der unterirdischen Tunnel, in denen tapfere Männer Jahre damit verbracht hatten, die Freiheit zu verteidigen.

"Es wäre besser gewesen, wenn an den Tunnelwänden Quilts gehangen hätten,“ sagte sie.

"Vielleicht hast du Recht,“ sagte ich und dachte an den Bombenterror, der mit einer ländlichen Bauernhofszene an den gekalkten Wänden sicher einfacher zu ertragen gewesen wäre.

Einen Tag später bahnte sich ihre Quiltabstinenz erneut ihren Weg. "Sie brauchen hier unten Quilts,“ sagte sie.

"Was?“ Wie befanden uns in einer der U-Bahn Stationen unterhalb des Picadilly Circus und warteten auf den nächsten Zug, der da kommen würde.

"Alle diese U-Bahn Tunnel,“ sagte sie. "Sie sollten ein paar hübsche Quilts an den Wänden aufhängen statt all dieser Reiseposter.“

"Quilts in den Bahnhöfen?“ fragte ich, sehr wohl wissend was sie da vorschlug.

"Warum nicht? Jedes Mal, wenn die Leute in die U-Bahn kommen, könnten sie Amish-Quilts und Watercolor-Quilts und Stack-n-Whack-Quilts und Paper-pieced Blumenquilts und sogar Sunbonnet Quilts ansehen. Diese Wände sind hervorragend geeignet, um Quilts aufzuhängen.“

"Gute Idee,“ sagte ich, als der Zug in den Bahnhof donnerte.

Sie sagte dasselbe in Paddington, wo wir auf einen frühen Morgenzug warteten, der uns aufs englische Land bringen sollte.

"Da oben,“ sagte sie während sie auf eine große Tafel zeigte, auf dem die Abfahrzeiten der Züge und die Bahnsteige, von denen sie abfahren würden, angezeigt wurden.

"Da oben was?“ fragte ich während ich nach unserem Zug sah.

"Quilts,“ sagte sie.

"Ich sehe keine Quilts,“ sagte ich.

"Noch nicht, aber wenn sie dort Quilts aufhängen würden hätten alle wartenden Leute etwas zu gucken während ihre Zuginformationen angezeigt werden.“

"Das ist wahr,“ stimmte ich zu und betrachtete alle diese Leute, wie sie ihre Hälse nach den Zeichen da oben reckten. Ich schaute hoch und stellte mir die Reihe gigantischer Quilts vor – aber dann bekam ich einen steifen Nacken.

"Quilts in jedem Fenster von Harrods,“ sagte sie, als wir an einem der berühmtesten Kaufhäuser der Welt vorbei spazierten. "Jeder weiss, was ein Kaufhaus in seinem Inneren verkauft,“ sagte sie weiter. "Statt all der Möbel und Kleidung und exotischen Geschenken könnte ein schöner Quilt in jedem Fenster hängen. Tausende von Menschen gehen hier jeden Tag vorbei. Sie könnten Quilts aus ganz Großbritannien und dem Rest der Welt bewundern.“

"Ich steck das in die Ideen-Box,“ sagte ich während ich sie schnell an dem Kaufhaus vorbeilotste, bevor sie auf die Idee kam hineinzugehen und herauszufinden, dass die berühmten Markthallen Quilts in der Bäckerei oder der Metzgerei oder dem Tee-Shop bräuchten.

"Glaubst du, dass jemand einen wirklich großen Quilt machen könnte?“ fragte sie.

"Was?“

"Vielleicht wenn eine Gilde oder mehrere Gilden zusammen arbeiten,“ sagte sie.

Ich sah mich nach einer Wand oder einem Zaun um, den sie sich vielleicht gerade für eine weitere Quiltausstellung in London ausgesucht hatte. Alles was ich sah, war das Parlamentsgebäude und den Tower, der Big Ben beherbergte. "Oh, nein,“ sagte ich.

"Oh nein was?“ fragte sie.

"Niemand wird dort einen Quilt aufhängen wollen,“ sagte ich.

"Nicht dort,“ sagte sie. "Sei nicht albern. Ich dachte an den Zaun um Westminster Abbey.“

"Du willst Quilts rund um Westminster Abbey aufhängen?“ Warum nicht. Sie würde einen Quilt nähen um ihn von der London Bridge herabhängen zu lassen, wenn sie die Gelegenheit dazu hätte.

"Das ist eine Idee,“ sagte sie.

Es war falsch von mir gewesen zu glauben, ein Monat abseits ihres quilten, weg von ihrem Stoffvorrat und ihrer Nähmaschine, weg von ihren Büchern und ihrem Zubehör, weg von ihrer Internet Quiltliste – all das würde aus ihr einen ganz normalen Touristen machen. Nichts an einem Quilter ist normal. Trotz all ihrer Zusicherungen, Versprechungen, Behauptungen – obwohl sie sogar auf die Kopie eines Quiltmagazins geschworen hatte, dass sie während unserer Zeit in London nicht ans quilten denken würde, hatte sie aufgegeben, war erlegen, gab sich geschlagen. Ihr Blut, hauptsächlich bestehend aus Stoff und Nähgarn, war dicker als jedes wässrige Versprechen.

Nun sind wir wieder daheim und sie ist fleißig dabei einen Quilt zu beenden, den sie vor unserer Abreise begonnen hatte. Sie hat kein Wort mehr darüber verloren, dass sie England mit Quilts dekorieren wollte. Aber nur dass sie es nicht mehr erwähnt hat, heißt nicht, dass sie nicht daran denkt. Heute morgen habe ich sie gesehen, wie sie sich die Fotos unserer Reise ansah, und ab und zu betrachtete sie das ein oder andere besonders lange und seufzte. Nach dem siebten Seufzer fragte ich sie, woran sie denke.

"Woran denkst du?“

"Oh, nichts besonderes. Ich dachte nur gerade daran - als wir nach Greenwich gingen und in der Schlange standen, wo ein Zeichen sagte, dass das neue Jahrhundert gleich anfangen wird...“

"Und?“

"Vielleicht sollte ich einen Millenium Quilt machen und ihn ihnen schicken....“


Aus dem Englischen übersetzt von Angelika Volkenandt mit Erlaubnis des Autors A.B. Silver, Copyright 1999 by A.B. Silver, jegliche Reproduktion oder Weitergabe ohne Genehmigung des Autors A.B. Silver ist verboten.